Staudammflut: Wut und Verzweifelung steigen
Am 25. Juli haben nahe der Stadt Tuncelli im Südosten der Türkei mehrere
hundert Personen die Baustelle des umstrittenen Pembelik Damm am Peri
Fluss eingenommen und die Einrichtung teilweise zerstört. Trotz
zahlreicher Sicherheitsbeamte und Soldaten überwanden die Demonstranten
die Zäune und stürmten die Baustelle, setzten Einrichtungen in Brand.
Das Sicherheitspersonal schoss in die Luft, griff ansonsten aber nicht
ein. Das waren die bislang schärfsten Protestmaßnahmen in der Türkei.
Die Bevölkerung wurde nie in die Planungen des Dammes einbezogen,
sondern vor vollendete Tatsachen gestellt – das ist üblich in der
Türkei. Tausende Bewohner des Tals fürchten um ihre Zukunft, sie
verlieren Ländereien etc. Der Pemblikdamm soll 77 Meter hoch werden und
das Tal davor fluten.
In Sachen Staudammbau ist die Türkei eine der rücksichtslosesten Länder
der Erde. Insgesamt sollen in den nächsten 20 Jahren etwa 1.500
Staudämmen gebaut werden. Danach soll praktisch jeder Fluss gestaut
sein. Wieviele Menschen dabei ihre Heimat verlieren, ist unklar. Manche
Angaben sprechen von 2 Millionen. Entgegen internationalen Standards
werden weder die Bewohner an den Planungen beteiligt, noch gibt es eine
ökologische Planung. Klar ist, dass die Folgen für die Natur verheerend
sein werden. Zahlreiche Tier- und Pflanzenarten werden aussterben. Das
türkische Staudammprogramm führte schon 2009 zu einer Rüge der EU: das
Vorgehen der Türkei widerspreche eindeutig den Vorgaben der EU, so die
Kommission damals.
Bei vielen Projekten in der Türkei sind österreichische Firmen
beteiligt, etwa die Andritz AG und die Verbund AG.
„Es ist für mich nicht verwunderlich, dass die Menschen derart
protestieren. Im Gegenteil, deren Wut ist verständlich. Für die Menschen
dort geht es um alles. Es gibt schon hundertausende Staudammflüchtlinge
in der Türkei und täglich werden es mehr. Die meisten von ihnen landen
in den Armenvierteln der großen Städte wie Diyarbakir, Van oder Mardin.
Doch darauf nimmt die Regierung in Ankara zusammen mit der allmächtigen
Wasserbehörde DSI keine Rücksicht. Sei baut weiter, in einem Ausmaß und
mit einer Rücksichtslosigkeit, die wir uns nicht vorstellen können. Die
Wut steigt – verständlicherweise“, so Ulrich Eichelmann von Riverwatch.
Video vom Protest: http://www.youtube.com/watch?v=4Xcx01ZFg7M
Ulrich Eichelmann
Riverwatch
+43 676 662 1512
ulrich.eichelmann@riverwatch.eu